Was ist eigentlich … Kapitalismus?

Zum Anlass des Bildungsstreiks möchte ich heute einmal für ein wenig Ersatzbildung sorgen.

Es geht um Wirtschaft.

Wirtschaft ist der Vorgang der Produktion von materiellen und immateriellen Gütern sowie Dienstleistungen. Materielle Güter könnten zum Beispiel Autos oder Fernseher sein, unter immateriellen Gütern darf man sich Dinge wie Informationen (Nachrichten, Musik, …) vorstellen. Dienstleistungen sind z.B. Autoreparaturen oder der Maler, der uns die Wohnung weisst. Wir alle brauchen diverse dieser Güter, haben also einen Bedarf und davon manchmal mehr und manchmal weniger.

Hier nun ein Beispiel mit dem wir weiter arbeiten können:

Nehmen wir an, wir wären Besitzer eines Apfelbaumes. Nehmen wir weiterhin an dieser Apfelbaum wäre in der Lage nur genau zwei Güter zu produzieren: Äpfel und Holz.

Wären wir allein auf dieser Welt, würden wir uns einfach fragen was für uns sinnvoller wäre aus diesem Apfelbaum zu machen: Entweder seine Äpfel essen und damit unseren Hunger stillen, oder sein Holz nehmen und damit z.B. einen Stuhl bauen. Die Antwort hängt von unserem Bedarf ab. Je mehr Hunger wir haben, desto eher werden wir dazu tendieren die Äpfel zu wählen. Haben wir vielleicht aus anderen Quellen bereits absehbar auch zukünftig genug zu essen, jedoch keinen Stuhl im Hause, könnten wir uns auch dazu entscheiden einen Stuhl aus Apfelbaumholz zu bauen.

Wir sind natürlich jedoch nicht allein auf dieser Welt. Es geht also nicht nur um unsere Bedürfnisse, sondern auch darum die Bedürfnisse aller anderen Bürger. Als Gutmenschen wollen wir nun das Gesamtwohl maximieren, also das meiste Glück für die größte Zahl erzeugen. Die Entscheidung zwischen Äpfeln und Holz wird hierdurch um einiges komplizierter. Sie hängt nicht mehr nur von unseren eigenen Bedürfnissen ab, sondern auch den Bedürfnissen aller anderen Bürger. Gäbe es in diesem Lande mehr als genug Äpfel und alle hätten so viele Äpfel, dass sie keine Äpfel mehr sehen wollen, so wäre es reichlich unsinnig noch mehr davon zu produzieren und wir sollten vielleicht eher einen Stuhl aus dem Apfelbaumholz machen. Damit würde mehr Wohlstand für alle erzeugt. Haben im Gegensatz dazu alle Bürger bereits Stühle und gleichzeitig nicht genug zu Essen, wäre es am sinnvollsten die Äpfel zu produzieren.

Um unsere Entscheidung richtig treffen zu können, müssen wir den zeitlich und räumlich verteilten Bedarf nach Äpfeln bzw. Stühlen kennen. Dazu müssten wir eine ganze Menge Informationen einholen: Ganz genau, wer wo wieviel Bedarf nach Äpfeln und Stühlen hat und was von beiden insgesamt mehr nachgefragt wird. Hätten wir diese Informationen, könnten wir eine perfekte Lösung errechnen. Toll. Nennt sich Planwirtschaft und ist schwierig, weil es so gut wie unmöglich ist, diese Masse an Informationen eines ganzen Landes, geschweige denn der ganzen Welt einzusammeln und zu verarbeiten.

Die Menschen haben sich deshalb recht früh eine Alternative einfallen lassen und dann festgestellt wie sie funktioniert. Die geht so:

Um unsere Frage zu beantworten ob wir Äpfel oder Stühle produzieren gehen wir auf den Wochenmarkt im Dorf. Dort schauen wir, welchen Preis Äpfel und Stühle erreichen. Je nach dem was nun mehr Gewinn erzeugt, produzieren wir auch Äpfel bzw. Stühle und bieten sie unsererseits an. Dies führt dann wiederum dazu, dass der Preis für das produzierte Gut ein wenig fällt, weil mehr davon da ist. Irgendwann wird der Preis soweit fallen, dass wir uns angehalten fühlen ein anderes Gut zu erzeugen. Es stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ein und wir wissen genau wann wir was produzieren müssen. Der Preismechanismus beantwortet die Frage des Bedarfs durch eine verteiltes System. Das nennt man Marktwirtschaft.

Beide Systeme erzeugen Kosten. Planwirtschaft hat Informations- und Planungkosten und Kosten wegen der zwangsläufig auflaufenden Ineffizienzen und Fehlallokationen. Marktwirtschaft (oder synonym Kapitalismus) ist auch nicht perfekt. Auf dem Weg zum Gleichgewicht treten sog. Transaktionskosten auf, die ebenfalls nicht unerheblich sind und manchmal auch für Fehlallokationen sorgen. Zudem gibt es Situationen in denen der Markt versagt und die identifiziert und reguliert werden müssen. Die zugrundeliegende Frage jedoch, welches Gut produziert und wohin verteilt werden soll, wird vordererst noch unglaublich viel komplexer, wenn wir noch weitere Güter hinzufügen. Sollen wir Fernseher oder Autos bauen? Sollen wir Flugzeuge oder Schiffe bauen? Sollen wir Milch oder Fleisch erzeugen? Sollen wir einen Bauernhof oder eine Autofabrik bauen? Der Leser sei nun aufgefordert sich Anhand der Geschichte zu beantworten, welches System zu Beantwortung der Frage nach optimaler Ressourcenallokation besser funktioniert.

Wer den Kapitalismus abschaffen will, der sollte sich vorher informieren was das eigentlich ist.

Im Übrigen ist der Vorgang der Verteilung von Mitteln aus dem Haushalt der Deutschlands/Berlins an die Einrichtungen des öffentlichen Bildungssystems alles andere als marktwirtschaftlich organisiert. Es gibt dort einen Bildungsminister / Bildungssenator, der erfasst welche Einrichtung wieviel Bedarf hat und entsprechende Mittel verteilt. Wenn wir also irgendwo bereits Planwirtschaft erleben, dann im Bildungssektor.

Diese Diskussion über das richtige System wird meist mit einer ungemein religiös anmutenden Inbrunst geführt. Auch im Rahmen der Bildungsproteste formulieren diverse Gruppen immer wieder ihre Kapitalismuskritik. Damit tun sie den Bildungsprotesten einen Bärendienst. Wer erwartet aus dem Hörsal heraus das wirtschaftliche System Deutschlands umstürzen zu können, hängt zum einen illusorischen Zielen nach verwässert zum anderen die eigentlichen Ziele mit ideologischen Ansichten die zudem nicht von allen Studenten geteilt werden.

One Response to “Was ist eigentlich … Kapitalismus?”

  • Bernd responded:

    Vor allem dem letzten Absatz kann ich voll und ganz zustimmen. Man sollte außerdem nicht vergessen das sowohl der Kapitalistische, wie auch der planwirtschaftliche Ansatz auf ideologischen Füßen gebaut ist und eine strikte Regelkonformität erwartet. Was wiederum voraussetzt das die Regeln keine Lücken aufweisen die das System zum Einsturz bringen. I.e. solange die Systeme “hackbar” sind, wird das auch jemand tun. Und dabei ist es eher mäßig relevant um welches System es sich dabei handelt.

    Es wäre auf jeden Fall schön, wenn sich die studentischen Vertreter und jene die sie Vertreten auf das konzentrieren würden was sie verändern können und nicht anfangen Parteipolitik auf Universitätsebene zu machen. Wer das gesamte Wirtschaftssystem kippen will, soll sich bitte in den Bundestag wählen lassen und aufhören die konkrete Arbeit des Volkes zu behindern.

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